Konstantin von Tischendorf: Entdeckung des Codex Sinaiticus im Katharinenkloster auf dem Sinai (7. Februar 2008)
Donnerstag, den 7. Februar 2008Wieder ein erfolgloser Besuch. Hätte ich mich doch nur vor 15 Jahren schon durchgesetzt und nicht nur diese 43 Blätter mitgenommen. So war es ja schon eine Sensation. Aber damit wäre mein Platz in der Geschichte der Bibelforschung für immer festgeschrieben gewesen.
Die älteste, fast vollständige Version des Neuen Testaments.
Ich komme aber sicherlich wieder. Irgendwann wird es mir gelingen auch noch die anderen Teile des Codex wieder zu finden.
Die Mönche waren immer sehr hilfsbereit. Jetzt hat mich sogar der Verwalter noch in seine eigene Zelle eingeladen. Eine alte, griechische Bibel möchte er mir zeigen.
Noch schnell alles für die morgige Abreise packen, dann mache ich mich auf den Weg.
Wenige Minuten später:
Ganz schön schummrig hat er es hier in seiner Zelle. Bin ja mal gespannt, was ich zu sehen bekomme.
Er öffnet den roten Stoff. Darin scheinen Pergamente zu sein.
…
…
Kann DAS sein? Da sieht doch aus wie – die Schrift, der Stil. Nein, es ist wirklich wahr. Sind das die fehlenden Blätter? Ich kann es nicht fassen. So viele Jahre der Suche waren nicht vergebens.
Moment.
Sind das wirklich…
Da sind ja noch viele mehr.
Viel mehr als nur 86 Pergamentblätter.
Das ist ja unglaublich. Unglaublich. Dann muss der Codex ja noch mehr umfassen, als nur große Teile des Neuen Testaments. Vielleicht auch viele des Alten? Oder neue Texte? Apokryphe Schriften vielleicht? Ich muss das alles untersuchen.
Welch’ eine Aufgabe liegt da vor mir. Aber das ist mir egal. Und wenn ich bis an meinen Lebensabend darüber sitzen muss. So eine Gelegenheit kommt nicht wieder!
Am 7. Februar 1859 entdeckte der deutsche Theologe und Bibelforscher Konstantin von Tischendorf die größten Teile des Codex Sinaiticus im Katharinenkloster auf dem Sinai.
Der Codex Sinaiticus ist bis heute die älteste entdeckte Handschrift, die den kompletten Text des Neuen Testamentes enthält. Neben dem Neuen Testament enthält sie auch große Teile des Alten Testaments und einige apokryphe Schriften.
Bereits 1844 hatte Konstantin von Tischendorf im Katharinenkloster 129 Seiten des Codex entdeckt, aber nur 43 mit sich nehmen dürfen. Bei seinen nächsten Besuchen auf dem Sinai waren die anderen Seiten nicht mehr auffindbar. Erst 1859 bekam er vom damaligen Verwalter des Klosters die restlichen Seiten überreicht und darüber hinaus noch viele weitere, die er vorher nicht kannte.
1862 veröffentliche von Tischendorf, der auch den Codex Ephraemi Syri übersetzte und an der Erforschung der bedeutenden griechischen Bibelübersetzung, der Septuaginta, mitwirkte, den Codex Sinaiticus.
Weitere Teile des Codex wurden noch 1975 gefunden, als im Katharinenkloser ein längst vergessener Raum wieder entdeckt wurde. Über ihren Inhalt ist bisher, das sie noch nicht veröffentlich wurden, noch nichts bekannt. Und nur die Zukunft wird zeigen, welche weiteren Geheimnisse die verwinkelten Räume des alten Klosters, in dessen Besitz sich die, nur vom Vatikan übertroffen, größte Handschriftensammlung christlicher Texte befindet, noch zu offenbaren haben.
Heute befindet sich der Großteil des Codex in der British Library in London, andere Teile werden in St. Petersburg und im Katharinenkloster verwahrt.