Radioreporter Robert Sandstrom: Atlantiküberquerungen von Charles Lindbergh (21. Mai 1927) und Amelia Earhart (21. Mai 1932)
Mittwoch, den 21. Mai 200821. Mai 1927:
Seit Stunden wartet hier auf dem Flughafen Le Bourget in Paris eine riesige Menge Schaulustiger, meine sehr verehrtren Zuhörer zu Hause an den Empfangsgeräten.
Sie alle warten darauf, am Horizont das Flugzeug von Charles Lindbergh, der von schreibenden Kollegen den etwas despektierlichen Beinamen Flying Fool erhalten hat, zu erblicken, der sich am frühen Morgen von New York aus auf den Weg machen wollte, den Atlantik alleine zu überfliegen.
Noch hat sich die Spirit of St. Louis, wie Lindbergh sein Flugzeug genannt hat, den Menschen noch nicht gezeigt. Mehr als 33 Stunden müsste Lindbergh nun schon auf dem Weg sein, um die fast 6000 km zu überwinden.
Jetzt wird es den Menschen hier aber auch schwer fallen, das Flugzeug früh zu sehen, denn langsam hat sich Dunkelheit hier über das Flugfeld gesenkt.
Bleiben Sie an Ihren Rundfunkempfängern. Ich werde weiter berichten.
(ca. 25 Minuten später)
Nun ist es soweit. Wir hören schon den Motor der Spirit of St. Louis. Das Flugzeug ist nahe und wird jeden Moment landen. Es ist ein erhebender Moment, den ich Ihnen an den Empfängern sicher nur unzureichend nahe bringen kann.
Die Menge ist erstaunlich schweigsam. Gebannt hofft man, dass Charles Lindbergh, nach dem offensichtlich geglückten Flug, nun auch die Landung meistern wird.
(ca. 5 Minuten später)
Es ist soweit. Die Spirit of St. Louis ist unter dem tosenden Beifall der Schaulustigen gelandet. Sicher hat dies auch meine Stimme übertönt.
Nun steigt Charles Lindbergh, der in die Geschichte als einer der großen Luftfahrtpioniere eingehen wird, aus seiner Maschine, die ihn so sicher über den Ozean getragen hat.
Glücklich, aber ermüdet sieht er aus.
21. Mai 1932:
Meine sehr geehrten Damen und Herren zu Hause an den Empfangsgeräten, wieder einmal ist es mir eine Freude, von einem besonderen Ereignis in der Geschichte der Luftfahrt berichten zu können.
Ich befinde mich, wie schon vor fünf Jahren, als ich die Landung von Charles Lindbergh miterleben durfte, wieder hier in Paris.
Dieses Mal warte ich hier, mit einer ungleich kleineren Menge an Menschen, auf Amelia Earhart, die als erste Frau im Alleinflug den Atlantik überqueren möchte, nachdem sie bereits 1928 als erste Frau überhaupt den Atlantik überquert hat, allerdings damals nur als Passagier.
Links von mir stehen einige feministische Aktivistinnen der Ninety Nines, einer Gruppe von Frauen, zu der auch Earhart gehört, die die Rolle der Frau in der Luftfahrt stärken möchte.
Noch ist aber vom Flugzeug Amelia Earhart weit und breit nichts zu sehen.
(ca. 30 Minuten später)
Noch immer warten wir hier auf die Landung von Amelia Earhart. Ich werde Sie, die sie sicherlich auch zu Hause an den Hörfunkgeräten gespannt warten, weiter auf dem Laufenden halten.
(ca. 3 Stunden später)
Weiterhin gibt es kein Zeichen von Amelia Earhart, die als erste Frau den Atlantik im Alleinflug überqueren wollte.
Die Verzweiflung ist groß, vor allem unter den Vertreterinnen der Ninety Nines, die immer noch auf die sichere Landung ihrer Club-Vorsitzenden warten.
Aber leider gibt es nur noch wenig Hoffnung, dass Earhart den Flug über den Atlantik geschafft hat. Die meisten Schaulustigen haben den Ort bereits verlassen und auch wir werden in Kürze unsere Übertragung einstellen.
Vielleicht, so die Bilanz dieses Tages, war es doch etwas zu vermessen zu denken, dass eine Frau so einfach die große Tat eines Mannes wiederholen kann.
Der 21. Mai steht für gleich zwei Großereignisse in der Geschichte der Luftfahrt.
An diesem Tag glückten, im Abstand von fünf Jahren, die ersten Alleinflüge eines Mannes und einer Frau über den Atlantik.
Am 21. Mai 1927 landete Charles Lindbergh, nachdem er 33 Stunden zuvor in New York gestartet war auf dem Pariser Flughafen Le Bourget.
Entgegen seiner eigenen Erwartung wurde er dort von einer großen Menschenmenge voll Begeisterung empfangen. Noch kurz vor der Landung hatte er überlegt, da er noch über genügend Treibstoff verfügte, bis nach Rom weiter zu fliegen und dort zu landen.
Charles Augustus Lindbergh wurde 1902 geboren und kam 1922, nach einem gescheiterten Studium des Maschinenbaus zur Fliegerei.
Nach seiner Flugausbildung verdingte er sich zunächst als Kunstflieger und später als Heeresflieger in Diensten der USA, wo er seine Ausbildung als Jahrgangsbester abschloss. Dennoch musste er, da die US Armee nur einen geringen Bedarf an Heeresfliegern hatte, bald zu den Postfliegern wechseln.
Schon recht bald hatte er aber die Idee einer Alleinüberquerung des Atlantiks und ein vom Hotelier Raymond Orteig ausgesetztes Preisgeld für eben diese Tat erhöhte seine Motivation.
In Zusammenarbeit mit der Flugzeugschmiede von Ryan Airlines entwickelte er ein Flugzeug, dass er auf den Namen Spirit of St. Louis taufte.
Mit dieser Maschine gelang im schließlich der große Flug über den Atlantik.
Neben seiner fliegerischen Leistung stand er weltweit vor allem wegen der tragischen Entführung seines nicht einmal 2jährigen Sohnes Charles III, der nur noch tot gefunden werden konnte, 1932 im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Im zweiten Weltkrieg geriet er in die Kritik, da er einerseits für eine Neutralität der USA eintrat und andererseits einen ihm 1938 von den Nationalsozialisten verliehenen Orden nicht zurückgab. Dabei bleibt oft unberücksichtigt, dass er, trotz seiner Vorbehalte, im Zweiten Weltkrieg Einsätze für die US-Luftwaffe flog.
Charles Lindbergh starb 1974 auf Hawaii.
Amelia Earharts Flug über den Atlantik glückte ebenfalls, war allerdings weniger glücklich als der Lindberghs. Bereits über Neufundland war sie in schweres Wetter geraten und auch ihr Ziel Paris konnte sie nicht erreichen, da sie in der Nähe von Londonderry in Nordirland notlanden musste.
Earhart interessierte sich schon früh für die Fliegerei, fand aber in der damaligen Gesellschaft zunächst wenig Unterstützung. Ihr hauptsächlicher Förderer war der New Yorker Verleger George Palmer Putnam, der später auch ihr Ehemann werden sollte.
Bereits 1929 hatte sie an einem Wettrennen für weibliche Piloten teilgenommen, das aber in der Öffentlichkeit weitgehend belächelt wurde.
Noch im selben Jahr gründete sie mit anderen Pilotinnen den Club der Ninety Nines, der sich zum Ziel setze, die Rolle der Frauen in der Luftfahrt zu stärken. Bis heute ist dieser Club aktiv und stellt inzwischen die weltweit größte Pilotinnenvereinigung der Welt mit vielen Zweigstellen in vielen Teilen der Welt.
Neben der Pioniertat des ersten Alleinüberflugs einer Frau über den Atlantik, für den sie auch die Goldmedaille der National Geographic Society erhielt, wurde sie auch für die erste Pazifiküberquerung im Alleinflug überhaupt, von Hawaii nach Oakland bekannt, einer Strecke, die weiter ist, als die von New York nach Paris.
Ihre Berühmtheit setzte sie aber nicht nur für die Stärkung der Rolle der Frauen in der Luftfahrt ein, sondern auch, um allgemein positive Stimmung für feministische Ziele zu erzeugen.
Eine weitere Pioniertat sollte ihr zum Verhängnis werden. Zusammen mit ihrem Navigator Fred Noonan wollte sie die erste Umrundung der Erde entlang des Äquators schaffen.
Ein erster Versuch scheiterte im März 1937 direkt am Anfang wegen eines Startunfalls. Der zweite Versuch, ab dem 21. Mai (!) desselben Jahres schien zu gelingen. Den beiden glückte die Bewältigung von fast drei Vierteln der Strecke. Am 2. Juli sollte das letzte Teilstück, die Überquerung des Pazifiks von Neu-Guinea aus, in Angriff genommen werden. Auf dieser Strecke aber sind die beiden verschollen. Bis heute ist ihr Verbleib ungeklärt.