Maria: Was ist dir, Hanna? Ja, nun ist es Zeit! Hier kommt der Sheriff, uns zum Tod zu führen. Es muss geschieden sein! Lebt wohl! Lebt wohl!
(Ihre Frauen hängen sich an sie mit heftigem Schmerz; zu Melvil.)
Ihr, werter Sir, und meine treue Hanna Sollt mich auf diesem letzten Gang begleiten. Mylord, versagt mir diese letzte Wohltat nicht!
Burleigh: Ich habe dazu keine Vollmacht.
Maria: Wie? Die kleine Bitte könntet ihr mir weigern? Habt Achtung gegen mein Geschlecht! Wer soll Den letzten Dienst mir leisten! Nimmermehr Kann es der Wille meiner Schwester sein, Dass mein Geschlecht in mir beleidigt werde, Der Männer rohe Hände mich berühren!
Burleigh: Es darf kein Weib die Stufen des Gerüstes Mit euch besteigen – Ihr Geschrei und Jammern –
Maria: Sie soll nicht jammern; – Ich verbürge mich Für die gefasste Seele meiner Hanna! Seid gütig, Lord. O, trennt mich nicht im Sterben Von meiner treuen Pflegerin und Amme! Sie trug auf ihrem Arme mich ins Leben, Sie leite mich mit sanfter Hand zum Tod.
Paulet: (zu Burleigh). Lasst es geschehn!
Burleigh: Es sei.
Maria: Nun hab’ ich nichts mehr Auf dieser Welt –
(Sie nimmt das Kruzifix und küsst es.)
Mein Heiland! Mein Erlöser!
Wie du am Kreuz die Arme ausgespannt, So breite sie jetzt aus, mich zu empfangen.
(Sie wendet sich zu gehen; in diesem Augenblick begegnet ihr Auge dem Grafen Leicester, der bei ihrem Aufbruch unwillkürlich aufgefahren, und nach ihr hingesehen. – Bei diesem Anblick zittert Maria, die Knie versagen ihr, sie ist im Begriff hinzusinken; da ergreift sie Graf Leicester und empfängt sie in seinen Armen. Sie sieht ihn eine Zeit lang ernst und schweigend an; er kann ihren Blick nicht aushalten, endlich spricht sie.)
Ihr haltet Wort, Graf Leicester – Ihr verspracht Mir euren Arm, aus diesem Kerker mich Zu führen, und ihr leihet ihn mir jetzt!
(Er steht wie vernichtet. Sie fährt mit sanfter Stimme fort.)
Ja, Leicester, und nicht bloß Die Freiheit wollt’ ich euerer Hand verdanken, Ihr solltet mir die Freiheit euer machen, An eurer Hand, beglückt durch eure Liebe, Wollt ich des neuen Lebens mich erfreun. Jetzt, da ich auf dem Weg bin, von der Welt Zu scheiden und ein sel’ger Geist zu werden, Den keine ird’sche Neigung mehr versucht. Jetzt, Leicester, darf ich ohne Schamerröten Euch die besiegte Schwachheit eingestehn – Lebt wohl, und wenn ihr könnt, so lebt beglückt! Ihr durftet werben um zwei Königinnen, Ein zärtlich liebend Herz habt ihr verschmäht, Verraten, um ein stolzes zu gewinnen. Kniet zu den Füßen der Elisabeth! Mög’ euer Lohn nicht eure Strafe werden! Lebt wohl! – Jetzt hab’ ich nichts mehr auf der Erden!
(Sie geht ab, der Sheriff voraus, Melvil und die Amme ihr zur Seite. Burleigh und Paulet folgen, die Übrigen sehen ihr jammernd nach, bis sie verschwunden ist; dann entfernen sie sich durch die zwei andern Türen.)
aus: Maria Stuart von Friedrich Schiller, 5. Aufzug, 9. Auftritt.
Am 8. Februar 1587 wurde Maria Stuart, Queen of Scots, hingerichtet.
Sie war der Teilnahme an einer Verschwörung gegen Elisabeth I. für schuldig befunden worden. Diese Babington-Verschwörung hat ihre Namen von einem ihrer Hauptprotagonisten, Anthony Babington. Der eigentliche Urheber soll John Ballard gewesen sein.
Es ist aber zweifelhaft, fast schon unwahrscheinlich, dass Maria wirklich an der Verschwörung beteiligt war.
Auch möglich ist, dass die Verschwörung, wie so viele vor ihr in der Zeit von Marias Gefangenschaft in England, nur eine Inszenierung des englischen Geheimdienstchefs Walsingham war.
Wie auch immer, diese Verschwörung wurde Maria Stuart zum Verhängnis.
Zum Zeitpunkt ihres Todes befand sich Maria beinahe 19 Jahre in englischer Haft. In den 45 Jahren ihres Lebens hat sie überhaupt nur wenige Jahre in ihrer Heimat, Schottland, in Freiheit verbracht.
Bereits kurz nach ihrer Geburt befand sie sich beständig auf der Flucht. Nur sechs Tage nach Ihrer Geburt verstarb ihr Vater, wodurch sie Königin von Schottland wurde (auch wenn sie erst fast ein Jahr später auf Stirling Castle gekrönt wurde).
Die Geschichte ihrer Flucht begann mit der Aufkündigung des Vertrages von Greenwich, indem ihre Hochzeit mit dem englischen Prinzen Edward vereinbart worden war, durch ihren Regenten, den Earl of Arran und der damit verbundenen Wiederbelegung der „Auld Alliance“ mit Frankreich. England nutzte diese Aufkündigung als Anlass zum Einmarsch in Schottland und versuchte eine eher martialische Art der „Brautwerbung“ Marias durch Gefangennahme, das sogenannte „Rough Wooing“.
Nachdem Maria dann dem französischen Dauphin Franz versprochen worden war, verhalf Frankreich ihr zur Flucht und so wuchs sie im französischen Exil auf.
Kurzzeitig war sie, nach dem Tod ihres Schwiegervaters, Heinrich II. von Frankreich, und der Thronbesteigung ihres Mannes, Franz II., Königin von Frankreich.
Aber auch hier war ihr das Glück nicht hold. Franz starb nach nur einem Jahr als König und Marias Stellung am französischen Hof verschlechterte sich zusehends – vor allem auf Grund des Einflusses von Katharina von Medici, die für ihren jüngeren Sohn Karl nun die Regentschaft innehatte und die die Einflüsse der Familie de Guise, aus der auch Marias Mutter stammte am französischen Hof zurückdrängen wollte.
So kehrte Maria 1561 in ein Schottland zurück, das inzwischen, durch das Einwirken des Reformators John Knox, protestantisch geworden war und wurde von ihrem Volk und dem Adel als Katholikin mit Skepsis betrachtet, auch wenn sie um einen Ausgleich der Konfessionen bemüht war.
In politischen Fragen, vor allem in Bezug auf die Männer, die sie sich zu Ehemännern wählte, erwies sie sich aber als ungeschickt, was am Ende zur ihrer Entmachtung und Abdankung am 24. Juli 1567 führte.
Sie ging 1568, nach dem sie aus einer erneuten Gefangenschaft entflohen war, nach England ins Exil und erhoffte sich Hilfe von Ihrer Cousine Elisabeth I. Diese sah in Maria aber vielmehr eine große Gefahr für ihren Thron und so verbrachte Maria auch die letzten 19 Jahre ihres Lebens in Gefangenschaft.
Mit Elisabeth ist sie, anders als dies Schiller in einer dramatischen Szene darstellt, nie zusammengetroffen.
So nahe wie in ihrem Tod kamen sich die beiden Urenkelinnen Heinrichs VII. in ihrem Leben nie: Heute trennen die Gräber der beiden Monarchinnen in der Westminster Abbey nur wenige Meter.