Archiv der Kategorie ‘11. Jahrhundert‘


Hartwig auf dem Felde: Constitutio de feudis (28. Mai 1037)

Mittwoch, den 28. Mai 2008

Die Rechte der einfachen Vasallen wurden gestärkt. Ein bemerkenswerter Schachzug unseres Kaisers, der sich mit dieser Taktik der Unterstützung des niederen Adels sicher sein kann. Wer weiß schon, wozu diese Unterstützung einst noch gut sein wird. Mit Sicherheit hat sich der Kaiser etwas bei seinem Vorgehen gedacht, das über die momentane Situation hinausgeht.
Abzuwarten bleibt, welche Auswirkungen die Entscheidung über die Erblichkeit der Lehen auch für die kleinen Vasallen in den nächsten Jahren haben wird. Mit Sicherheit wird diese Gruppe erstarken und sich zu Höherem berufen fühlen, ich kann es förmlich vor mir sehen, wie so ein ungehobelter Bauer aus der Provinz auf einmal an den Hof kommt und immer mehr Rechte für sich einfordert.
Noch bin ich mir nicht schlüssig, ob der Triumph über diesen aufsässigen Erzbischof es wert war, das Risiko einer weitreichenden gesellschaftlichen Umschichtung in Kauf zu nehmen. Aber vielleicht irre ich mich ja auch und alles bleibt weitgehend wie es zur Zeit ist.
Vielleicht ergibt sich für eine wie mich durch diese Veränderung aber auch eine großartige Chance. Vielleicht werden mehr Herren den Anspruch stellen, einen weltoffenen und modernen Haushalt zu führen, sodass ich mit meiner Laute und meinen Liedern ein größeres Publikum erreichen kann. Jetzt werde ich auf jeden Fall an den nächsten großen Hof ziehen, um diese sensationelle Neuigkeit aus Italien weiterzugeben. Der Burgherr und seine Vertrauten werden mir für diese Nachricht aus der Hand fressen und besonders großzügig sein. Und die Hofdamen erst – sicherlich werde ich die nächsten Nächte nicht alleine verbringen. Welch herrliche Aussicht. Wenn es danach geht, darf der Kaiser gerne häufiger von sich Reden machen, denn dann steigt das Interesse an meinen Diensten rasch an.

Am 28. Mai 1037 erließ Konrad II. während der Belagerung Mailands ein Gesetz, das die Rechtsverhältnisse der Lehnsträger regeln sollte. Die Bischöfe in Norditalien hatten durch die Schenkung zahlreicher Ländereien und anderer Güter eine mächtige und weitgehend selbständige Stellung erreicht, die sich in erster Linie auf ihre Vasallen stützte. Da die Bischöfe ihre Besitzungen nicht alleine verwalten und bewirtschaften konnten, vergaben sie sie an Lehnsmänner, die als Gegenleistung bestimmte Dienste verrichten mussten, so z.B. den Kriegsdienst. Diese Vasallen, Capitane genannt, hatten in den meisten Fällen eine gesicherte Stellung gegenüber ihren Herren, da durch den Kriegsdienst eine enge Bindung zwischen ihnen bestand. So hatten die Capitane in der Regel die Erblichkeit ihrer Lehen durchgesetzt. Sie selber verwalteten die ihnen überlassenen Lehen nur in Einzelfällen. Zumeist vergaben sie diese an Unter- oder Aftervasallen, die später als Valvassoren bezeichnet wurden. Diese Untervasallen verfügten über keine abgesicherte Stellung gegenüber ihren Herren, vielmehr waren sie deren Willkür ausgeliefert; so konnten ihnen sogar ihr Lehen entzogen werden.
Diese Situation war die Hauptursache für die Unruhen der Jahre 1035 bis 1037. Direkter Auslöser war Aribert II., Erzbischof von Mailand, der 1035 einem Vasallen sein Lehen entzogen hatte. Daraufhin entstand der so genannte Valvassorenaufstand, der sich nicht allein auf Mailand beschränkte, sondern auch auf die umliegenden Gebiete übergriff.
Anfang des Jahres 1037 erreichte Konrad II. mit seinem Heer Mailand, den Ausgangspunkt der Unruhen.
Nur kurze Zeit nach der Ankunft des Kaisers brach ein Tumult aus. Dieser war die Folge eines Gerüchts, das besagte, Konrad II. habe Mailand das Bistum Lodi entzogen. Die Mailänder befürchteten eine Schmälerung ihrer Interessen, wogegen sie lautstark protestierten. Außerdem forderten die Valvassoren die Anerkennung ihrer Gleichstellung. Zu einer Entscheidung in diesem Fall aber fehlte es dem Kaiser sowohl an einem vollständigen Überblick über die Situation als auch an ausreichend Truppen, die im Falle eines gewaltsamen Einschreitens nötig gewesen wären. Aus diesen Gründen zog sich der Kaiser vorerst nach Pavia zurück, wo er Mitte März einen Hoftag abzuhalten gedachte. Auf dem Hoftag in Pavia wurden die Übergriffe Ariberts angeklagt und es kam zum endgültigen Bruch zwischen dem Kaiser und dem Erzbischof von Mailand. Aribert, der wegen Hochverrats verhaftet wurde, gelang schließlich die Flucht nach Mailand. Die Vorbereitungen auf eine kämpferische Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Erzbischof wurden von beiden Seiten vorangetrieben.
Zu einem direkten Aufeinandertreffen der beiden Parteien kam es zunächst nicht. Stattdessen verwüsteten und brandschatzten die kaiserlichen Truppen auf ihrem Weg nach Mailand die Umgebung. Drei Meilen entfernt von der Metropole errichteten sie ihr Lager. Immer wieder wurden Angriffe auf die Stadt verübt oder Ausfälle der Belagerten pariert. Keine der beiden Seiten konnte einen durchschlagenden Erfolg erringen, sodass der Belagerungszustand noch bis Ende Mai anhielt.
Kurz vor dem Abbruch der Belagerung erließ Konrad II. am 28. Mai 1037 Lehnsgesetz - Constitutio de feudis.
Das Gesetz zielt auf die Gleichstellung und Sicherung der Rechte aller Lehnsträger von Reichs- und Kirchenlehen ab. Im Wesentlichen enthält es folgende Aspekte: die Sicherung des Besitzes der Vasallen gegen willkürliche Handlungen der Seniores wie Verdrängung vom Lehen oder Veräußerung des Lehens, außerdem wurde die Erblichkeit der Lehen garantiert.
Mit diesem Gesetz wird die Stellung der Untervasallen rechtlich abgesichert. Es wird festgelegt, dass Inhaber von Reichs- und Kirchenlehen ihren Besitz nicht ohne eindeutigen Schuldnachweis und den Urteilsspruch ihrer Standesgenossen verlieren konnten. Diese Bestimmung hatte auch rückwirkende Geltung, betraf folglich auch das von Aribert eingezogene Lehen, das Auslöser der Unruhen gewesen war.
Beiden Parteien, sowohl dem Lehnsmann als auch dem Lehnsherrn, wurde durch die Konstitution das Recht eingeräumt, im Streitfalle das königliche Gericht anzurufen. Bei den großen Vasallen fungierte der König persönlich als oberster Richter.
Eine bedeutende Neuerung in Bezug auf das bisherige Verfahren war auch die aufschiebende Wirkung der Urteilsschelte. Der Vasall blieb laut Gesetz bis zum endgültigen Urteilsspruch im Besitz des Lehens. Das bedeutete, dass der Senior nicht mehr das Recht besaß, das Lehen sofort einzuziehen, auch wenn das Urteil letztendlich für ihn sprach.
Außerdem wurde in der Constitutio de feudis festgelegt, dass der Senior nicht ohne Zustimmung des Vasallen über die Lehen verfügen darf, weder durch Tausch, Prekarie noch libellarische Verleihung.
Ein weiterer wesentlicher Punkt des Gesetzes Konrads II. ging auf die Forderung der Vasallen nach der Erblichkeit ihrer Lehen ein. In der Urkunde vom 28. Mai 1037 wurde die Vererblichkeit schriftlich fixiert. Die Lehen waren im Mannesstamme erblich. War kein Sohn vorhanden, so folgte der Enkel. Sollte weder ein Sohn noch ein Enkel vorhanden sein, erbte der Bruder des Lehnsträgers. Dessen Anspruch auf das Lehen ergab sich aus dem gemeinsamen Vater. Beim Übergang des Lehens an einen Erben war die gewohnheitsrechtliche Abgabe von Pferden und Waffen an den Herrn zu entrichten.
Das Gesetz zielt auf die Gleichstellung und Sicherung der Rechte aller Lehnsträger von Reichs- und Kirchenlehen ab. Im Wesentlichen enthält es folgende Aspekte: die Sicherung des Besitzes der Vasallen gegen willkürliche Handlungen der Seniores wie Verdrängung vom Lehen oder Veräußerung des Lehens, außerdem wurde die Erblichkeit der Lehen garantiert.
Jeder Verstoß gegen dieses Gesetz sollte mit einer Strafe in Höhe von 100 Pfund Gold belegt werden. Diese Summe war jeweils zur Hälfte an den Geschädigten und an die kaiserliche Kammer zu entrichten.
Mit diesem Gesetz zeigt Konrad II. deutlich, auf wessen Seite er in dem Konflikt steht. Die Bischöfe der Lombardei, besonders Aribert, wurden durch die Bestimmungen hart getroffen, da diese ihrer willkürlichen und unterdrückenden Haltung den Vasallen gegenüber entgegenwirkten. Sowohl die Begünstigung der Markgrafen als auch das Eingehen auf die Forderungen der Valvasoren stellten einen großen Rückschlag für die Politik der lombardischen Bischöfe dar.
Gleichzeitig erzielte die Constituto de feudis eine andere Wirkung, nämlich Aribert die Vasallen abspenstig zu machen und zugleich für die Interessen Konrads zu gewinnen.
Zu erwähnen ist außerdem die Absicht des Kaisers, die Aussöhnung der Lehnsherren und der Vasallen zu erreichen und damit ihre militärische Stärke zu erhalten, die dem Senior bzw. im Endeffekt auch dem Kaiser dienen sollte.

Abt Siegbert: Gang nach Canossa (25.-28. Januar 1077)

Freitag, den 25. Januar 2008

Auf einmal will er Buße tun – dieser König, der sonst nicht mächtig genug sein kann. Hierher, auf diese zugige Burg hat er uns getrieben, wo wir doch jetzt schon längst die Alpen hätten überwunden haben können. Aber nein, wir mussten Zuflucht bei Mathilde suchen, von der wir nicht vollkommen sicher wissen auf welcher Seite sie nun steht.Heinrich IV vor der päpstlichen Burg Canossa. Bild von Eduard Schwoiser
Dabei wird das alles nur ein hinterhältiger Plan dieses Mannes sein, der sich noch immer König des Heiligen Römischen Reiches nennt. Niemals wird er vor dem Papst zu Kreuze kriechen und Buße tun, dazu müsste er schließlich eingestehen, dass er der weniger Mächtige ist – niemals! Auch wenn er seit heute barfuß und im Büßergewand vor den Toren der Burg steht, kann ich nicht glauben, dass es ihm ernst damit ist!
Hoffentlich lässt Gregor sich nicht auf dieses Schauspiel ein, auch wenn das Wetter unerträglich kalt ist und der Schnee mehrer Zentimeter hoch liegt – so einfach sollte Heinrich nicht davon kommen. Soll er es doch zu spüren bekommen, wie es ist, wenn man es wagt, sich mit der Kirche anzulegen und sich zu diesem Frevel versteigt, den Papst für unwürdig zu erklären und zum Rücktritt vom Stuhle Petri zwingen zu wollen. Zu deutlich klingen seine Worte noch in meinen Ohren, dieses „Steige herab, steige herab!“ werde ich wohl nie vergessen können. Ein paar Frostbeulen an den Füßen hat er sich redlich verdient! Und nicht nur für diese schändliche Tat, sondern auch für seine offensichtlichen Verstöße gegen die Gebote des Papstes müssen bestraft werden, der Bann, den Gregor über ihn gelegt hat, soll ihn bis zu seinem bitteren Lebensende verfolgen.

Vom 25. bis zum 28. Januar des Jahres 1077 stand König Heinrich IV. mehrere Tage lang vor der Burg Canossa im Büßergewand barfuß im Schnee. Papst Gregor VII. hatte sich auf seinem Weg ins Reich in diese Burg der Gräfin Mathilde von Tuszien zurückgezogen, da er einen Angriff des Königs fürchtete. Durch diese Bußhandlung kann Heinrich IV. schließlich erreichen, dass Gregor den über ihn verhängten Bann aufhob.Heinrich IV klopft im Investiturstreit an das Tor der Festung in Canossa. Stahlstich von August von Heyden
Vorausgegangen war dem berühmten Gang nach Canossa die Erkenntnis Heinrichs, dass er die Festigung seiner Position des Königs nur durch die Aufhebung des Banns erzielen konnte, wie es die Reichsfürsten im Oktober 1076 in Trebur von ihm gefordert hatten.
Zustande gekommen war der Kirchenbann durch einen seit langer Zeit schwelenden Streit zwischen Kirche und König, der als Investiturstreit in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Der Papst stellte sich gegen die so genannte Laieninvestitur, die besagte, dass weltliche Fürsten kirchliche Ämter vergeben konnten. Dieses Recht sollte nach Auffassung des Papstes aber ausschließlich in den Händen der Kirche liegen. Der König, der Machteinbußen befürchtete, beachtete diese Aufforderung nicht weiter. Die Situation eskalierte schließlich im so genannten Mailänder Bischofsstreit im Jahr 1075. Im Januar 1076 scharte Heinrich IV. auf dem Reichstag im Worms einige gleichgesinnte Bischöfe um sich und verfasste einen Brief an den Papst, in dem er diesen letztendlich aufforderte, sein Amt niederzulegen. Als Legitimation für diese Forderung wurde angeführt, dass Heinrich das Recht habe, den Papst zu ernennen oder zumindest zu bestätigen, dies hatte er jedoch nicht getan. Die Reaktion Gregors VII. folgte umgehend. Auf der Fastensynode 1076 verhängte er den Kirchenbann über Heinrich.