Uraufführung von „De Waber“ (26. Februar 1893)
DER ALTE BAUMERT (springt auf, hingerissen zu deliranter Raserei): Haut und Hemde. All’s richtig, ‚s is der Armut Haut und Hemde. Hier steh ich, Rober Baumert, Webermeister von Kaschbach. Wer kann vortreten und sagn … Ich bin ein braver Mensch gewest mei Lebelang, und nu seht mich an! Was hab ich davon? Wie seh ich aus? Was haben se aus mir gemacht? Hier wird der Mensch langsam gequält. (Er reckt seine Arme hin.) Dahier, greift amal an, Haut und Knochen. Ihr Schurken all, ihr Satansbrut!! (Er bricht weinend vor verzweifeltem Ingrimm auf einem Stuhl zusammen).
ANSORGE (schleudert den Korb in die Ecke, erghebt sich, am ganzen Leib zitternd vor Wut, stammelt hervor): und das muß anderscher wern, sprech ich, jetzt uf der Stelle. Mir leiden’s ni mehr! Mir leiden’s ni mehr, mag kommen was will. [...]
BÄCKER: Was wir nicht gutwillig kriegen, das nehmen wir mit Gewalt.
DER ALTE HILSE: Mit Gewalt? (Lacht.) nu da laßt euch bald begraben dahier. Se wern’s euch beweisen, wo de Gewalt steckt. Nu wart ock, Pirschl!
JÄGER: Etwa wegen a Soldaten? Mir sein auch Soldat gewest. Mit a paar Kompanien wern mir schonn fertig werden.
DER ALTE HILSE: Mid’n Maule, da gloob ich’s. Und wenn ooch: zwee jagt’r naus, zehne kommen wieder rein.
STIMMEN (durchs Fenster): Militär kommt. seht euch vor!
(Text: Gerhart Hauptmann)
Am 26. Februar 1893 wird Gerhard Hauptmanns Drama in Dialektform „De Waber“ im neuen Theater in Berlin exklusiv für die Mitglieder der Freien Bühne uraufgeführt. Erst mehr als ein Jahr später, am 25. September 1984 kommt es zur öffentlichen Aufführung des Dramas „Die Weber“ im Deutschen Theater in Berlin.
Hauptmann schildert in diesem Drama, das im Allgemeinen als sein bedeutendstes Werk gilt, das Schicksal der schlesischen Weber, die sich im Jahr 1844 im bekannten Schlesischen Weberaufstand erhoben hatten.
Grund für diesen Aufstand waren die sozialen Umstände, die die Weber in dieser Region besonders hart trafen. Zum einen waren die meisten Weber einem Feudalherren verpflichtet und mussten Diesem Abgaben leisten und zum anderen waren sie Heimarbeiter, die einem so genannten Verleger zuarbeiteten. Da durch die einsetzende Industrialisierung vor allem in England immer mehr mechanische Webstühle eingesetzt wurden, kam es zu einem deutlichen Preisverfall, den die Weber in Schlesien durch schnellere und längere Arbeit auszugleichen versuchten. Bereits Kinder wurden in die Arbeiten einbezogen. Die Anschaffung von modernen Webstühlen war für die einzelnen Weber nicht zu finanzieren, sodass sie keine Chance hatten mit ihrer Produktion mit den technischen Neuerungen mitzuhalten.
Erschwerend hinzu kam noch, dass das Eulengebirge zu einer der bevölkerungsreichsten Regionen in Schlesien zählte und es daher einen Arbeitskräfteüberschuss gab.
Am 3. Juni 1844 erhoben sich die Weber schließlich und zogen zur Firma der Gebrüder Zwanziger, die als Verleger tätig waren. Einige Anführer des Aufstandes wurden verhaftet und damit schien für die Brüder Zwanziger das Problem beseitig zu sein, doch am 4. Juni formierte sich ein Protestzug, der die Befreiung der inhaftierten Weber sowie Lohnerhöhungen forderte. Da die Brüder Zwanziger jegliche Verhandlungen ablehnten, stürmte die aufgebrachte Menge das Anwesen, zerstörte die Einrichtung und zwang die Besitzer zur Flucht nach Breslau.
An den folgenden Tagen zogen die Weber auch zu anderen Fabrikanten und Verlegern, um dort ihre Forderungen geltend zu machen. Wer sich ihnen widersetzte, hatte ähnliche Konsequenzen zu spüren bekommen wie die Gebrüder Zwanziger.
Schließlich griff das preußische Militär ein und schlug den Weberaufstand am 6. Juni 1844 nieder. Zahlreiche Weber wurden verhaftet und verurteilt.
Gerhard Hauptmann schildert die damaligen Zustände in sehr eindringlicher Weise, indem er nicht einzelne Protagonisten in den Vordergrund treten lässt, sondern das Schicksal einer ganzen Gruppe von Webern schildert.
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